So jetzt melde ich mich endlich nochmal…
Ich hab schon wieder so viel erlebt und kann kaum glauben,
dass ich jetzt schon einen Monat hier bin!
Also gehen wir am besten wieder chronologisch vor: Seit letztem Montag haben wir nun das Thema zweiten Weltkrieg in der Schule und es
ist interessant und zugleich spannend und schwierig für mich, zu beobachten,
wie hier über den zweiten Weltkrieg gesprochen wird. Natürlich wird weniger
über die Vorgänge und Details gesprochen, da der Lehrplan hier eher die
brasilianische Geschichte vorsieht. Dennoch sind mir mehr Unterschiede
aufgefallen, als nur das Fehlen von manchen Details: So reden wir mehr über die
Situation und Stellung Italiens im Vergleich zu Deutschland, außerdem haben wir
kaum darüber geredet, wie es soweit kommen konnte, also die Umstände und die
Vorgeschichte. Trotzdem finde ich es Schade, dass wir das Thema jetzt schon
behandelt haben und nicht später, denn die Sprache liegt mir auch nach drei
Wochen nicht perfekt. Es reicht zum Smalltalk halten und um grob zu verstehen,
worüber geredet wird. Aber ich habe das Gefühl es wird besser und dass ich
nicht mehr lange brauchen werde, um alles zu verstehen.
Dienstag war dann das einzig besondere, dass der Lehrer der
ersten Stunde wie selbstverständlich seine Zahnpasta und Zahnbürste ausgepackt
hat, und erst mal raus gegangen ist, um die Zähne zu putzen, außerdem skypte
ich mit Sophia, die auch ein Austauschjahr in
Brasilien verbringt und für einen kurzen Moment aufgeheitert werden
musste.
Allgemein kann ich ja auch mal kurz einen normalen Schultag
beschreiben: Ich stehe um kurz vor sechs Uhr auf und frühstücke. Nach dem Zähne
putzen fährt mich meine Gastmama um ca. 06.35 Uhr in die Schule. Dort gehe ich
meistens noch kurz mit einem Freund, der mich schon nach der ersten Woche
Bruder nannte, zu anderen Leuten, bevor dann um 07:00 die Schule beginnt. Der
Klassenraum sieht fast so aus, wie in amerikanischen Filmen: Keine separaten
Tische oder Stühle, denn es gibt Stühle verbunden mit einer kleinen Platte.
Alle Stühle stehen in mehreren Reihen gegenüber der breiten Tafel. Fenster gibt
es zwar, aber sie sind mit lichtundurchlässiger Farbe bestrichen. Ich vermute,
damit sich der Raum nicht aufgrund direkter Sonneneinstrahlung aufheizt. In
anderen Schulen, so habe ich erfahren, gebe es aber auch lichtdurchlässige
Fenster, zwar nicht viele, aber immerhin lichtdurchlässige Fenster. Wenn die
Klimaanlage nicht läuft öffnen wir die Fenster auch manchmal. Wir sind ca. 34
Leute in der Klasse wenn alle da sind und um 12:10 sind wir wieder freie
Menschen. Wir haben sechs Stunden Unterricht und eine Pause nach den ersten
drei Stunden beziehungsweise vor den letzten drei Stunden. Die Pause dauert
eine halbe Stunde und ich verbringe sie zusammen mit meinem „Bruder“ bei
anderen Schulkameraden. Dann reden wir meistens und machen bisschen Quatsch.
Anschließend wieder drei Stunden Unterricht. Im Unterricht kann man bei den
meisten Lehrern eigentlich alles machen was man will. Einige schlafen und
einige passen auf. Handyverbot gilt allerdings, was jedoch auch niemanden
hindert, am Handy zu sein. Ansonsten ist die Unterrichtsart auch ganz anders,
genau wie das Schüler-Lehrer-Verhältnis. Die Lehrer schreiben etwas an die
Tafel und erklären es anschließend. Es wird kaum etwas zusammen erarbeitet und
es findet in manchen Fächern kaum Dialog zwischen den Schülern und Lehrern.
Anders als in Deutschland wird der Lehrer nicht im Stehen und mit einem
SIngsang begrüßt, sondern im Sitzen mit
einem „Guten Tag“ und von manchen Leuten per Handschlag begrüßt. Außerdem
werden viele Witze mit den Lehrern und zum Teil auch von den Lehrern gemacht
und so gibt es ein besseres Verhältnis zwischen den Lehrern und den Schülern
als in der Schule bei den meisten von uns.
An der restlichen Schulwoche passierte nichts
Außergewöhnliches, außer, dass ich bei zwei Rotary-Meetings in verschiedenen
Clubs war.
Am Wochenende war wieder bisschen mehr los: So skypte ich
nicht nur mit meiner besten Freundin, sondern wurde auch für Samstag zum
Pizzaessen von einer Tochter von Freunden von meinen Gasteltern eingeladen, bei
denen wir auch mal abends waren (,falls sich noch jemand erinnert-ich auch).
Samstags war ich also Pizzaessen mit par Leuten, der Großteil
weiblichen Geschlechts, und wir haben eine Riesenpizza gegessen und viel gelacht.
Sonntagmittag nahmen wir dann mit den Freunden der Familie, deren Tochter mich
eingeladen hatte, an einer Churrasco (brasilianische Barbecue) teil und ich
fuhr zwischendurch noch mit den beiden Töchtern ein Eis essen und wir haben uns
nett unterhalten. Abends nahm mich dann ein rotarischer Freund und zugleich mein
zweiter Gastvater mit zu einer neulutherischen Gemeinde. Zum Teil sprachen die
Leute dort deutsch und die meisten verstanden deutsch. Nach dem Gottesdienst
hielt ich dann zum zweiten mal eine kurze Präsentation über mich und meine
Familie in Deutschland. Da ich diese Präsentation auf Deutsch halten konnte
verlängerte ich die Präsentation und erzählte noch etwas über den Musikverein
Holler und die legendären Neujahrskonzerte von diesem. Anschließend fuhr ich
dann mit meinem zweiten Gastvater, seiner Frau und seiner Tochter essen, sodass
ich dann froh war, um halb elf erschöpft
ins Bett fallen zu können.
Diese Woche war bisher noch nicht so viel los, denn der Alltag holt mich jetzt so langsam ein.
Dienstag holten wir eine Austauschschülerin aus Mexiko am
Flughafen von Dourados ab und abends wurden uns dann während des Rotary-Meetings
die Regeln des Austauschs offiziell vorgelesen und wir wurden ein weiteres Mal
herzlich willkommen geheißen. Ansonsten bin ich nun glücklich über das
Wochenende und habe viel vor. Allgemein
fühle ich mich im Moment so richtig Pudelwohl hier, habe schon viele nette
Leute kennengelernt und will schon am liebsten für immer hier wohnen bleiben.
Balthes